Ramonas schlimmster Tag

Mein Name ist Ramona - und ich möchte euch vom bisher schlimmsten Tag in meinem Leben erzählen:

Es ist ein herrlicher Sommertag. Seit morgens früh sind wir Hunde alle draußen im Garten. Wir spielen, laufen um die Wette oder dösen in der warmen Sonne. Frauchen macht Gartenarbeit, Herrchen buddelt ein Loch für den Gartenteich.
Ich tobe mit Pedro über die Wiese. Immer im Kreis herum. Dann den Plattenweg entlang zum Hang, diesen hinunter - was für ein Spaß - und auf der anderen Seite wieder hinauf. Pedro läuft vor mir, doch plötzlich bleibt er stehen. Ich natürlich auch. Er hat ein zerbrochenes Kellerfenster entdeckt. Es ist ein Sprossenfenster. Im unteren Teil ist aus einem Kästchen das Glas komplett weg. Offensichtlich hat das noch keiner unserer Zweibeiner bemerkt. Neugierig schnuppert Pedro hinein. Er geht einen Schritt vor, dann noch einen. Mit den Vorderfüßen steht er schon auf der Fensterbank. Da ruft Frauchen seinen Namen. Schnell krabbelt Pedro rückwärts und läuft zu ihr. Ich nicht. Frauchen hat nicht bemerkt, dass ich bei Pedro bin. Ich bin furchtbar neugierig. Was sich wohl hinter dem Fenster verbirgt? Vielleicht ein Raum voller Würstchen oder anderer leckerer Dinge?
Noch einmal sehe ich mich nach Frauchen und Herrchen um. Keiner beachtet mich. Vorsichtig tappe ich ins Dunkel voran. Da passiert es - in der Dunkelheit habe ich nicht bemerkt, dass ich das Ende der Fensterbank erreicht habe. Ich trete ins Leere, rutsche ab und falle.
PLATSCH !!! macht es. Um mich herum ist alles nass. Ich habe keinen Boden unter den Pfoten und gehe unter. Ich kriege keine Luft mehr. Panik überkommt mich. Automatisch fange ich an zu paddeln. Es klappt. Ich komme wieder an die Oberfläche und kann atmen. Doch was soll ich tun? Wo soll ich hin? Überall ist Wasser. Ich erkenne, dass ich in ein Regenauffangbecken gefallen bin. Hier komme ich alleine nicht wieder heraus. Der Rand ist viel zu hoch. Ich belle um Hilfe und höre selbst, dass es völlig monoton kling. Einfach hintereinander weg: wau, wau, wau.
Ich höre Frauchen rufen. Sie ruft Pedros Namen. Hält sie mich für Pedro?
Schnelle Schritte, die sich erst nähern, dann wieder entfernen - Hilf mir, Frauchen! Ich ertrinke!
Die Schritte kommen wieder näher. Frauchen ist ins Haus gerannt und hastet die Kellertreppe hinab. Sie stößt die Tür auf und kommt in den Raum. "Pedro?" - aber ich bin doch Ramona!
Eine Hand greift nach mir. Ich habe Angst, versuche danach zu beißen. Aber die Hand hat mich bereits gegriffen und zieht mich aus dem Wasser.
"Meine Güte, RAMONA!" Es ist wirklich Frauchen. Ich erkenne sie. Doch ich stehe unter Schock. Höre nicht auf, zu paddeln und zu bellen. Ich muss doch paddeln, sonst sterbe ich.
Frauchen zieht ihren Pullover aus und wickelt mich hinein. Schön warm und trocken ist es da. Trotzdem zittere ich. Aber ich habe auch begriffen, dass ich in Sicherheit bin. Frauchen hält mich fest. Sie weint. Ich auch. Ganz leise.
Ich höre Herrchens Stimme: "Ist sie ok?" und sehe Frauchen nicken. Er hat alles durchs Kellerfenster gesehen und konnte mir doch nicht helfen.
Wir gehen aus dem Keller. Hin zu Herrchen. Er steht bereits mit trockenen Handtüchern bereit. Frauchen rubbelt mich ab und nimmt mich dann mit aufs Sofa. Sie weint immer noch. Sagt mir immer wieder, dass sie doch nicht gewusst habe, dass das Fenster kaputt ist und darunter ausgerechnet ein Tank mit Wasser steht. Und sie erklärt mir, dass dieser Tank unserem Vermieter gehört, der darin Wasser für seine Fischzucht auffängt.
Ich bin ganz müde. Frauchens Stimme verschwindet immer mehr in der Ferne und schließlich schlafe ich in meine Handtücher und an Frauchen gekuschelt ein.
Den ganzen Tag bleiben meine Menschen bei mir und lassen mich nicht aus den Augen, um im Notfall schnell mit mir zum Tierarzt fahren zu können. Aber mir geht es wieder gut. Herrchen hat das Fenster sofort zugebaut. Jetzt kann nichts mehr passieren.
Am nächsten Tag bin ich wieder ganz die Alte. Ich spiele, tobe und renne mit den anderen. Nur Wasser und offene Kellerfenster mag ich nun gar nicht mehr leiden.

Eure Ramona