Magendrehung

Am 15.07.84 verlor ich meine Deutsche Dogge durch ein Versagen des Herzkreislaufes infolge einer Magendrehung.

Da die Magendrehung eine typische Doggenkrankheit ist, und dieses Unglück jedem Doggenbesitzer widerfahren kann, möchte ich meine schlechten Erfahrungen in dieser Sache nicht für mich behalten, sondern an Doggenfreunde weitergeben.

Dieser Bericht soll auch keine Anklage gegen die Tierärzte sein, die durch ihr fahrlässiges Verhalten den Tod meiner Dogge mitverschuldet haben, sondern es geht mir nur darum, mitzuhelfen, dieses Unglück von anderen Doggen abzuwenden.

Zum Verständnis muss ich aber den Fall so schildern, wie er sich zugetragen hatte.

Am 14.07.84 fuhr ich mit meinen beiden Kindern und meinen beiden Hunden in den Urlaub.

Meine Dogge war ein Rüde von 5 Jahren.

Nach eine Autofahrt von 8 Stunden kamen wir am Urlaubsort um 13 Uhr an. Vor der Fahrt hatte ich nicht gefüttert. Ich besitze einen Kleinbus, in dem alle recht viel Platz hatten. Ca. alle 2 Stunden ließ ich die Tiere laufen. Das Wetter war gut, die Temperaturen lagen nicht hoch. Die Dogge konnte das Autofahren immer sehr gut vertragen und fuhr gerne mit.

Nach der Ankunft ging ich mit beiden Hunden ca. 30 Minuten spazieren und wir legten uns dann schlafen. Nach zwei Stunden bin ich wieder mit den Hunden spazieren gegangen. Um 17.30 Uhr habe ich den Hunden Dosenfutter gegeben. Da ich um die Magenempfindlichkeit der Doggen weiß, habe ich an diesem Tag weit weniger Futter gegeben als sonst (ca. 800 g).

Meine Dogge fraß auffallend langsam. Nach ca. 10 Minuten veränderte sich das Verhalten des Hundes. Er fing an zu schlucken als wenn ihm etwas vor dem Magen lag.

Ich ließ den Hund raus und er begann, Gras zu fressen. Das Würgen ließ aber nicht nach, er machte Anstalten sich zu übergeben, aber er gab nichts von sich. Ich rief ihn zurück, der Hund machte weiterhin einen unwohlen Eindruck auf mich und speichelte sehr. Plötzlich gab er ein schmerzhaftes Stöhnen von sich.

Daraufhin suchte ich sofort einen Tierarzt auf. Vom Füttern bis zum Vorstellen beim Tierarzt war ca. eine Stunde vergangen.

Ich schilderte der Tierärztin alles und fragte, ob nicht eine Magendrehung möglich wäre. Die Ärztin untersuchte den Hund, tastete den Bauch ab, welcher verspannt war. Die Dogge ließ alles sehr gut mit sich geschehen. Der Speichelfluss hatte nicht nachgelassen. Temperatur, Herz und Kreislauf waren normal. Die Ärztin fragte mehrfach, ob der Hund zuviel gefressen und sich anschließend stark bewegt hätte (so entstehen die meisten Magendrehungen). Dieses war nicht der Fall und ich verneinte es entschieden. Die Ärztin gab dem Hund dann eine schmerzstillende Injektion. Daraufhin ließ der Speichelfluss nach. Ich drängte dann darauf, den Hund zu röntgen. Für uns Frauen war es aber nicht möglich, den Hund auf den Röntgentisch zu legen, da das Tier 80 kg wog und sich wohl auch durch die Schmerzen nicht anheben ließ.

Daraufhin rief die Tierärztin ihren Mann an, der ebenfalls Tierarzt ist. Dieser kam, baute das Röntgengerät um und es wurde eine Aufnahme des Magens am stehenden Hund gemacht.

Das Röntgenbild zeigte in der oberen Magenhälfte eine Luftansammlung die über vier Rippenzwischenräume ging. Nach Auswertung des Röntgenbildes durch die Tierärzte meinte der Ehemann, der Hund hätte nichts.

Damit wollt ich mich aber nicht zufrieden geben, sprach noch einmal eine eventuelle Operation an und vereinbarte mit der Ärztin, dass der Hund zur Beobachtung bleibt.

Als ich die Praxis verließ, war es inzwischen 20:30 Uhr.
Gegen 22 Uhr rief ich bei der Ärztin noch einmal an. Diese beruhte mich, sagte, der Hund ist ruhig und schläft.

Am nächsten Morgen war der Hund tot!

Die Hundefreunde unter uns werden bestimmt verstehen, was das für mich bedeutete. Noch heute sehe ich meine Dogge vor mir, wie ich den Hund alleine bei der Ärztin ließ im Vertrauen darauf, dass alles für das Tier getan wird und es sich hier wirklich in guten und fachkundigen Händen befindet. Ich sehe noch heute den traurigen Blick meiner Dogge und spüre noch den stillen Abschied. Es war mir wie eine Anklage des Tieres an den Menschen dem es vertraut. Ich habe noch lange darunter gelitten.

Die Ärztin versicherte mir, dass sie den Kreislauf und die Temperatur bis Mitternacht beobachtet hatte und bis dahin alles normal war. Ich wollte dann aber eine Sektion des Hundes nur um die Todesursache feststellen zu lassen. Die Kosten hierfür: Abholgebühren 20,-- DM, Sektionskosten 68,-- DM. Den Befund bekam ich noch am Urlaubsort.

Äußerlich: Trommelartig aufgetriebenes Abdomen (Bauch),
Ernährungszustand gut, Gewicht ca. 80 kg
Brusthöhle: Flächenhafte Blutungen unter der Pleura (Rippenfell-Brustfell)
Herz: Blutungen unter Epicard (äußere Umkleidung des Herzens) und
Endocard (innere Herzwandschicht); geringgradige Klappen-
fibrose.
Bauchhöhle: Stark vermehrt blutige Flüssigkeit in der Bauchhöhle; Magen
stark aufgegast; Inhalt: Viel rötliche Flüssigkeit mit weich-
lichen Einlagen (Fertigfutter);
gesamtes Darmkonvolut stark gestaut.
Andere Organe: Leber geringfügig gestaut; Milz massiv auf das ca. 10fache ver-
größert.

Das Ergebnis der Obduktion spricht für einen Herz-Kreislauftod infolge einer Magendrehung mit einer ausgeprägten Spenomegalie (Vergrößerung der Milz).

Mit kamen nach diesem Befund doch starke Zweifel, ob die behandelnden Tierärzte wirklich alles getan hatten, um das Leben der Dogge zu erhalten. Ich zweifelte auch daran, dass der Hund wirklich bis Mitternacht beobachtet wurde und ob der Herz-Kreislauf wirklich noch zu diesem Zeitpunkt normal war, denn der Hund war irgendwann zwischen Mitternacht und Morgen verendet.

Am 04.09.1984 verklagte ich die Tierärzte auf Schadensersatz.

Dadurch lebt meine Dogge nicht wieder, aber ich hatte damals einfach das Gefühl, dieses lässt du dir nicht gefallen, das bist du deinem Hund noch schuldig.

Für das Gericht verlor ich eine Sache, die einen bestimmten Wert darstellt, aber in Wirklichkeit verlor ich einen Freund, ein Familienmitglied.
Aus dem Verlauf der Verhandlung und des Verfahrens konnte ich doch einige Erkenntnisse gewinnen.

Nach Ansicht der behandelnden Tierärzte sollen Symptome für eine Magendrehung insbesondere hochgradige Unruhe, die mit Apathie wechselt, würgen, ohne zu erbrechen, pochender Herzschlag, kleiner und schwacher Puls, sein. Ferner führte die behandelnden Tierärzte aus, dass die Erfolgschancen einer Operation bei Magendrehung für die Dogge zu 50 % besteht. Darauf komme ich später zurück.

Das Gericht zog einen Gutachter zu Rate.

In seinem schriftlichen Gutachten kommt dieser zu der Auffassung, dass es sich um eine akute Magendrehung gehandelt haben muss, die den Tod des Hundes dann in der Nacht herbeigeführt hat.

Noch unter dem Eindruck eines gleichgelagerten Falles kam der Gutachter zum Anfang seines Berichtes zu der Feststellung, dass bei Symptomen eines gespannten Abdomens und bestehenden Speichelflusses die Diagnose Magendrehung gestellt werden muss und ein sofortiger Eingriff notwendig ist.

Die Röntgenaufnahme zeigt nicht eindeutig den Zustand einer Magendrehung, auch ist zur Sicherheit der Diagnose nicht unbedingt eine Röntgenaufnahme notwendig. Vorrang gehört einer sofortigen Einleitung der Behandlung des akuten Falles.

ER verweist auf Prof. Dr. de Hoff, welcher auf die Fortschritte der letzten 10 Jahre deutet, die durch die sofortige Dekompression des geblähten Magens und die Einführung einer Magensonde sowie Trokarisierung des Magens mittels einer großkalibrigen sterilen Nadel durch die Bauchwand erzielt wurde.

Auch der Gutachter hatte mit diesen Methoden gute Erfahrungen gemacht. Er beschreibt dann weiter die Magendrehung oder die Andeutung einer entstehenden Drehung rechtzeitig erkennen und dann unverzüglich einen Tierarzt aufsuchen. Ganz bestimmt werden Sie mit dem Arzt nicht dasselbe Pech haben, wie ich, denn die meisten Tierärzte sind gute Ärzte und wir können Vertrauen zu ihnen haben.

Weiter schreibt der Arzt in seinem Gutachten, dass die Dogge den höchsten Stellenwert unter den magendrehungsgefährdeten Hunderassen besitzt und infolge ihrer labilen Konstitution und Kreislaufsituation nur eine Überlebenschance von ca. 20 % hat.

Wir erinnern uns, die behandelnden Tierärzte hatten 50 % eingeräumt, der Gutachter sprach nur von einer Chance von 20 %, ich war von einer größeren Chance überzeugt und so war es für mich eine neue Erkenntnis, wie noch vieles mehr.

Auch sprach der Gutachter davon, dass die Hauptursache der Magendrehung eine starke Magenfüllung, heftige Bewegungen mit gleichzeitiger Erschlaffung der Magenbänder ist. Er schreibt, dass aus diesem Grund die alte kynologische Binsenweisheit, ein ausgewachsener Hund müsse nur einmal täglich gefüttert werden, falsch ist.

Ich hatte als Futtermenge für meine Dogge 2,5 kg, davon 2 kg Fleisch täglich angegeben.

Der Gutachter schreibt auch: Eine durch fehlerhafte Ernährung bedingte Überfütterung des Magens mit diesen geforderten Mengen kann daher schon zur Überdehnung und Erschlaffung des Halteapparates führen und muss vom Besitzer mit verantwortet werden.

Damit hatte ich ein Mitverschulden, welches ich natürlich für die Verhandlung nicht anerkennen konnte, aber mir doch sehr zu denken gab.

Nur in einem irrte der Gutachter in diesem Fall: Für mich bestand die Binsenweisheit, die Hunde nur einmal am Tag zu füttern, nicht. Ich hatte die Dogge von einem guten Züchter, dem es nicht zuviel wurde, mir viele gute Ratschläge mit auf den Weg zu geben und der mir auch später immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Ich führte ihm in Abständen immer wieder meinen Hund vor.

Einer seiner Ratschläge war, die Dogge nicht nur einmal am Tag zu füttern und den Hund nach der Mahlzeit ruhen zu lassen, eben der Magendrehung wegen.

Für meine Fütterweise konnte ich dem Gericht Zeugen benennen. Da ich mindestens dreimal täglich mit meinen Hunden spazieren gehe, oder sie am Rad laufen lasse und als Hundesportler noch wöchentlich zum Übungsplatz gehe, glaube ich schon, dass meine Hunde Tiere doch etwas mehr Futter brauchen. Meine Dogge nahm aber ständig sehr viel Wasser zu sich und ich fragte mich, ob nicht auch das Gewicht der Flüssigkeit im Magen über Jahre hinaus zur Erschlaffung der Magenbänder geführt hat.

Aus dem Vorwurf habe ich aber meine Lehre gezogen. Ich habe heute wieder eine Dogge vom gleichen Züchter und bin mit dem Füttern sehr vorsichtig.

Bei der Gerichtsverhandlung wurde der Gutachter noch einmal gehört.
Ich möchte hier nur auf Ausführungen eingehen, die für Hundehalter von Bedeutung sind.

Er führte wieder an, dass 2,5 kg Futter für die Dogge eindeutig zu viel ist. Die Gesamtmenge sollte ca. 1 kg betragen, etwa 500 - 600 g Fleisch und 400 g Trockenfutter.

Er sagte weiter: die Diagnose Magendrehung, jetzt würde ich richtiger sagen: Magenaufgasung, musste gestellt werden, einmal aus dem gespannten Bauch des Hundes, dem Speichelfluss und der Röntgenaufnahme.

Der Speichelfluss könnte unter der Belastung bei der Behandlung durch die Tierärzte entstanden sein (so einen Speichelfluss kennen wir alle bei unseren Doggen). Nachdem der Speichel aber nicht mehr abgeschluckt worden ist, ist dies ein Symptom eines Verschlusses auf dem Weg zum Magen.

Ein verspannter Bauch kann auch bei einer einfachen Verstopfung auftreten, dann wird aber der Hund zu einem Kotabsatz drängen und zeit die hierfür typischen Haltungen. Ein verspannter Bauch tritt auch auf, wenn im Darm ein Fremdkörper vorhanden ist oder wenn der Hund an Durchfall leidet, aber dann müsste ein Erbrechen hinzukommen.

Nach dem Werk von O'Brien "The Dog and Cat" Seite 222 gilt als Faustregel: Wenn die Luftansammlung im Magen mehr als drei Zwischenrippenräume beträgt, ist eine Magenblähung angezeigt, die dann in eine Magendrehung übergeht, wenn keine Entlastung erfolgt.

Der Gutachter spricht dann die Vermutung aus, dass die Magendrehung bei Einlieferung der Dogge eventuell noch unvollständig und der Magen noch nicht verkrampft war, das Futter aber, da es aus dem Magen nicht entfernt wurde, zu gären begann. Die Magenblähung musste jetzt in eine Magendrehung übergehen. Ferner sagte er: "Es gibt Magenandrehungen, die spontan heilen, jedoch nicht in der Größe wie bei dem verendeten Tier, in dieser Größe kann ich es mir nicht vorstellen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass für einen Tierarzt die Diagnose Magendrehung bei einem Hund wie einer Dogge mit einem tiefen herunterhängenden Brustkorb immer in Erwägung gezogen werden muss."

Er führte dann aus, was die Tierärzte hätten machen können, unter anderem einen Einstich mit einer großkalibrigen Nadel, um die Luftansammlung aus dem Magen zu lassen. Man hätte es auch mit einer Magensonde versuchen sollen. Wäre dieses nicht möglich gewesen, dann wäre die Diagnose Magendrehung klar.

Für meinen Bericht unwesentlich aber zur Vervollständigung möchte ich zum Schluss kurz den Ausgang der Verhandlung schildern.

Das Gericht kam zu der Auffassung, dass der Tod des Hundes durch ein Versagen des Herzkreislaufes infolge einer Magendrehung eingetreten ist. Dies ist auf ein schuldhaftes, das heißt, fahrlässiges Verhalten der Beklagten (Tierärzte) bei der Behandlung des Tieres zurückzuführen.

Fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt außer acht lässt. Der Sorgfaltmaßstab ist ein objektiver, d. h. die Klägerin durfte darauf vertrauen, dass die Beklagten als Tierärzte die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen, um alles zu tun, was nach den Regeln und Erfahrungen der veterinärmedizinischen Wissenschaft zur Bewahrung des Tieres vor körperlichen Schäden getan werden muss.

Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner verurteilt und mussten auch Schadenersatz leisten.

Ich wurde verurteilt, die Tierarztrechnung zu zahlen, abzüglich der Abholgebühren und Sektionskosten da diese Kosten durch die Tierärzte schuldhaft verursacht wurden.

Bei der Tierarztrechnung handelt es sich um eine Widerklage der Tierärzte.

In diesem Fall hatten die Tierärzte versagt, es nicht richtig erkannt. Aber sicher hatten sie schon viele Male Tieren geholfen und ich möchte auch nicht den Stab über diese Ärzte brechen und darum auch keine Namen nennen, sondern mein Bericht soll wirklich nur helfen, ähnliches zu vermeinden.

Erfahrung:

" Bei Verdacht einer Magendrehung oder Feststellung hat der Hund noch ca. 5 Stunden zu leben!

" Magendrehung kommt auch nach einer Operation immer wieder!

" Der Tod ist qualvoll, deshalb das Tier rechtzeitig einschläfern lassen.


Erlebt und geschrieben von Bärbel Wendt
aus: Vereinsjournal 1/96